Heute ist der 13. Juni 2016, willkommen bei „Russland letzte Woche“. In dieser Ausgabe geht es – mal wieder – um Korruption.
Der Kommunisten-Abgeordnete Wadim Solowjow hat eine wahrhafte Scheidungsepidemie in der russischen Staatsduma ausgemacht, wie die Nowaja Gaseta berichtet: In der sechsten Legislaturperiode seit Dezember 2011 haben sich 102 fleißige Volksdeputierte scheiden lassen, etwa ein Viertel aller Abgeordneten.
In der Legislaturperiode 2007–2011 gab es nur sieben Scheidungen. Woran liegt das? Wurde der Abgeordnetenjob in den letzten fünf Jahren so viel stressiger? War es ein über Jahre angestauter Ehestress, der endlich zum Ausbruch kam? Sind die Duma-Politiker vielleicht lauter verkappte Liberale, die insgeheim gegen die Diktatur der so genannten Familienwerte protestieren wollten?
Solowjow hat eine andere Erklärung: Das Anti-Korruptionsgesetz. Seit 2009 müssen russische Staatsbedienstete, also auch Abgeordnete, neben ihren eigenen Einkünften und Immobilien jene ihrer Ehepartner und nicht volljährigen Kinder veröffentlichen. Die Scheidung ist ein schneller und einfacher Weg, sich von lästigen Offenlegungspflichten zu befreien.
Selbstverständlich wird die Scheidung nur pro forma abgewickelt, an den faktischen Eigentumsverhältnissen ändert sich nichts. Ach ja, sind die Kinder volljährig, fallen sie aus der Offenlegungspflicht des Abgeordneten raus. Dabei wachsen in Russland gerade die Abgeordnetenkinder zu „Geschäftsleuten“ heran, die unter entsprechender Protektion mit ihren „Geschäften“ sehr erfolgreich werden.
Prominenter Fall: Vor drei Jahren machte die kremlkritische Zeitschrift „New Times“ öffentlich, dass Irina Jarowaja (Einiges Russland), die Vorsitzende des Profilkommitees für Korruptionsbekämpfung, über eine nie deklarierte Wohnung im Wert von 800.000 Euro verfügt. Sie gehört eben ihrer volljährigen Tochter, die nicht volljährig war, als die Offenlegungspflichten im Anti-Korruptionsgesetz beschlossen wurden. Tricky! Hauptsache Korruption bekämpft, Freunde.
A pro pos Korruptionsbekämpfung (und Star Wars). Liebe Leserinnen und Leser, Sie erinnern sich wohl an das höchst erfolgreiche Business-Brüderpaar Tschajka? Die Söhne des Generalstaatsanwalts? Bei ihrer Bereicherung ging es offenbar nicht mit rechten Dingen zu, keine Überraschung.
Keine Überraschung ist auch das Ausmaß der Protektion, der den beiden offenbar zusteht: Die Namen der Tschajka-Söhne sind aus dem staatlichen Immobilienregister verschwunden, wie Alexej Nawalny herausgefunden hat. Artjom Tschajka heißt jetzt laut „Rosrejester“-Datenbank ЛСДУ3 (LSDUZ), sein Bruder Igor Tschajka firmiert unter dem klangvollen Science-Fiction-Akronym ЙФЯУ9 (JFJAU9). Somit sind die Namen der beiden in der Datenbank nicht mehr auffindbar.
Artjoms 2000-Quadratmeter-Anwesen? Gehört eben LSDUZ. Und das 600-Quadratmeter-Grundstück nebenan, es gehört nicht Igor, sondern JFJAU9. Ob CP–3PO und R2-D2 auch Anspruch auf die Tschajka-Erblande in der Rubjowka-Toplage haben, wird noch zu klären sein.
Danke für die Aufmerksamkeit!
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Bis nächste Woche!
Pavel Lokshin
RLW erscheint in Kooperation mit n-ost – Netzwerk für Osteuropaberichterstattung.