RLW #49: Menschenrechte als Waffe gegen Russland

Heute ist der 25. April 2016, willkommen bei „Russland letzte Woche“. Das Thema diesmal: Was Russlands neue Menschenrechtsbeauftragte Tatjana Moskalkowa von ihrem Arbeitsfeld hält.


Ein Amt inne zu haben, das bedeutet in Russland nicht viel. Wer ein Amt bekleidet, das ist die Schlüsselfrage. Kein Wunder, dass die Ära des Präsidentendarstellers Dmitri Medwedew im Rückblick so wirkt, als sei sie nichts weiter gewesen als ein Märchen für die russische Mittelschicht. Medwedews Amt war fake, der Mann hatte nichts zu melden. Wladimir Putin hingegen wird uns nach 16 Jahren an der Macht noch lange erhalten bleiben, wenn nötig hinter den Kulissen. Notfalls wird jemand „Präsident“, und das Amt wird so lange gequetscht und gebogen, bis es – mit der richtigen Personalie – genau das liefert, was Putin braucht.

Die Person hat also Vorrang vor dem Amt, nicht nur an der Staatsspitze, wie ein aktuelles Beispiel für ein gequetschtes und gebogenes Amt zeigt. Vergangene Woche hat die Staatsduma eine Generalmajorin a.D. des Innenministeriums zur Menschenrechtsbeauftragten gewählt. Klingt erstmal absurd. Aber vielleicht hat sich die gute Frau auf Seiten des Ministeriums für Menschenrechte eingesetzt, wie auch immer das gehen soll?

Nein, denn es handelt sich um Tatjana Moskalkowa, 60, Duma-Abgeordnete von der Partei „Gerechtes Russland“. Eine Hardlinerin, die im Zuge der „Pussy Riot“-Affäre vor vier Jahren einen neuen Strafgesetzbuch-Paragraphen forderte. „Verstöße gegen die Sittlichkeit“ sollten nach Moskalkowas Willen mit bis zu einem Jahr Gefängnis geahndet werden. Am Ende war der Vorschlag selbst der eigenen Fraktion zu krass.

In den Jahren danach machte Moskalkowa in diesem Sinne weiter: Sie stimmte brav für repressive Anti-NGO-Gesetze, schlug ein Gesetz „Gegen Verletzung von patriotischen Gefühlen“ vor, unterstützte Kadyrows Sippenhaft für Angehörige von Terroristen und forderte erst wenige wenige Tage vor dem Amtsantritt die Umbenennung des Innenministeriums in W.Tsch.K. – die „Allrussische Außerordentliche Kommission zur Bekämpfung von Konterrevolution, Spekulation und Sabotage“, Vorgängerorganisation des KGB aus der russischen Revolutionszeit.

Was sie von ihrem neuen Arbeitsfeld hält, machte Moskalkowa am vergangenen Freitag bei einer Ansprache in der Duma deutlich.

„Das Menschenrechtsthema wird zunehmend von westlichen und amerikanischen Strukturen als Waffe genutzt, als ein Mittel der Erpressung, Spekulation, Bedrohung, als ein Versuch, auf Russland Druck auszuüben und es zu destabilisieren… Die Menschenrechtsbeauftragte hat Instrumente, um dem entgegenzuwirken.“

Nun, so jemand soll die Russen vor den Exzessen der Staates schützen? Was bezweckt der Kreml damit? Die Menschenrechtsbeauftragte bekommt eine neue Funktion im Putin-System, glaubt der Journalist Andrej Perzew. Das Amt soll nicht länger eine Feigenblatt-Instanz für die desaströse Menschenrechtspolitik des Staates sein. Moskalkowas Vorgängerin Ella Pamfilowa versuchte immerhin, die Lage zu verbessern und hatte keine Angst, sich für politischen Fälle einzusetzen. Damit ist es jetzt vorbei, nun soll es um soziale Rechte gehen, wie den Zugang zum Bildungs- oder Gesundheitssystem. Die neue Menschenrechtsbeauftragte dürfte bei der Mehrheit der Russen gut ankommen, glaubt Perzew:

Der Kampf um das Soziale ist eine dankbare Aufgabe, anders als das Einstehen für Freiheiten und Menschenrechte. Zu den Hauptfeinden werden dabei die Liberalen, die sich an den letzten verbliebenen sozialen Rechten des gemeinen Volkes vergreifen: Sie wollen das Rentenalter anheben, die Strom- und Gastarife in die Höhe treiben, sie kürzen die Etats für Gesundheitsvorsorge und Bildung. Eine wackere Generalmajorin spielt die Rolle der Beschützerin der Unterdrückten – das sieht doch gar nicht schlecht aus: „Tatjana Moskalkowa fordert Senkung von Nebenkosten“, „Moskalkowa setzt sich für schließungsgefährdetes Krankenhaus ein“, „Menschenrechtsbeauftragte lehnt Anhebung des Rentenalters entschieden ab.“

Habe ich erwähnt, dass die Frau gut schießen kann?


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Pavel Lokshin

RLW erscheint in Kooperation mit n-ost – Netzwerk für Osteuropaberichterstattung.