Heute ist der 18. April 2016, willkommen bei „Russland letzte Woche“. Das Thema diesmal: Glück und Zukunft als Chefsache.
Liebe Leserinnen und Leser, Sie haben’s sicher schon vermutet: Russland ist kein besonders glückliches Land. Im World Happiness Report der UNO steht Russland auf dem 56. Platz. Die Russen tun sich schwer mit dem guten Leben, und es liegt nicht nur an der wachsenden sozialen Ungleichheit und dem ganzen Autoritarismus.
Drei Viertel dieser armen russischen Teufel leben in Städten, die hierzulande ja nichts anderes sind als eine Verschwörung gegen jede Art von Glücksempfinden. Zwischen Straßendreck und hässlicher Architektur kann niemand glücklich werden. Nicht im schneeweißen, oh Verzeihung, feinstaubgrauen SUV, nicht hinterm Zaun einer gated community. Ausgeschlossen.
Was hätte die Vorsitzende des russischen Föderationsrats Walentina Matwienko wohl zu meinem kleinen Rant gesagt? Sie hatte kürzlich eine gute Idee, wie man das Leben der Russen glücklicher machen kann. Wie denn? Greift der Kreml jetzt voll durch, um die russischen Städte lebenswerter zu machen? Gibt es härtere Feinstaubvorschriften? Oder eine City-Maut für Großstädte? Nein, vergessen Sie nicht, um welches Land es geht!
Natürlich will Matwienko ein Glücksministerium gründen, nach dem Vorbild der Vereinigten Arabischen Emirate. Zwar weiß niemand so genau, was das dortige Glücksministerium eigentlich tut. Dennoch war Matwienko von der Idee richtig angetan:
„Der Sinn der Sache: Jeden Menschen glücklich machen, glückliche Schulen bauen, der Bevölkerung solche Dienste anbieten, dass jeder Mensch glücklich werde. Eine Art ressortübergreifendes Organ, das bei jeder Regierungsentscheidung darüber wacht, ob Menschen dadurch glücklicher werden.“
Das erklärte Matwienko in der staatlichen „Rossijskaja Gaseta“. Ein bürokratisches Monster, das ein anderes bürokratisches Monster verschlingt überwacht? Ressortübergreifend? Muss in Russland alles in eine Neuverfilmung von Godzilla versus King-Kong ausarten?
Mit dem Glücksministerium, das für „glückliche Schulen“ sorgen soll, ist es nicht getan. Matwienko plant nämlich auch ein „Zukunftsministerium“, für – halten Sie sich fest – „die Zeit nach dem Erdöl“. Für die sanfte Landung in der Hölle, sozusagen.
Der liberale Publizist Maxim Trudoljubow findet das alles ja gut und richtig, weil es Russland nicht nur an Glück, sondern auch an Zukunft mangele – das wissen treue RLW-Leser längst. Trudoljubow macht sich bloß Sorgen, das Glück, das es nun zu ermöglichen gilt, könnte nicht alle glücklich machen. Als in Russland noch kein Mangel an Petrodollars herrschte, habe es nämlich Versuche gegeben, individuelle Glücks- und Zukunfsszenarien auszuleben. Die Mittelschicht! Doch dann kam die Krim-Besatzung und die Krise, und die Zukunft war plötzlich unverständlich – dafür aber kollektiv.
Der russische Staat ist weder an Glück noch an Zukunft interessiert, glaubt Trudoljubow. Seit Jahren spreche der Kreml vom Abbau der Ölabhängigkeit, von der Diversifizierung der Exporte und einer neuen Privatisierungswelle. Nichts passiert. Das Einzige, was der russische Staat wirklich gut könne, das sei Loyalitätsmanagement:
Der Kreml kann Loyalität und persönliche Überlebensstrategien steuern (…) alle stellen sich im Voraus an, um Geld oder Privilegien abzuholen, je nachdem, ob man zu den unteren Schichten oder zur Elite gehört.
Um die Ausgangsfrage zu beantworten: Nein, Russland braucht kein Glücksministerium. Sondern einen funktionierenden Staat, der seine Bürger ernst nimmt.
Danke für die Aufmerksamkeit!
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Bis nächste Woche!
Pavel Lokshin
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