Heute ist der 4. Januar 2016, willkommen zur ersten Ausgabe von „Russland letzte Woche“ im neuen Jahr. Weg mit der guten Laune! Die Themen: Moskaus misslungene Wende nach Asien, katastrophale russische Selbstmordstatistik und halbherzige Dekommunisierung in der Ukraine.
Tja, liebe Leserinnen, liebe Leser, gewöhnen Sie sich besser nicht an gute Nachrichten. Russland wird im neuen Jahr – so wie jedes Jahr – kaum Ihren Optimismus befeuern. Zur Einstimmung ein deprimierender Überblick über den epic fail der russischen Hinwendung nach Asien in den letzten anderthalb Jahren. Der Asien-Experte Alexander Gabuew nimmt die Kreml-Rhetorik auseinander, der zufolge Asien für Russland das neue Europa werde, also eine neue Quelle von Investitionen, Krediten und Technologien. Nach dem Motto: Wollt ihr uns nicht, gehen wir halt zu den Chinesen.
Der Gang zu den Chinesen gestaltet sich schwieriger als gedacht, schreibt Gabuew. Der Handel mit wichtigen asiatischen Ländern wie China, Japan oder Südkorea schrumpfte 2015 um ein Drittel, naturgemäß wegen der niedrigen Öl-Preise und der fallenden Nachfrage nach Konsumgütern aus Asien. Auf Investitionen in Russland scheinen asiatische Länder ebenfalls nicht besonders scharf zu sein, chinesische Direktinvestitionen etwa blieben offenbar unter dem Niveau von 2014. Asiatische Beobachter nehmen Russland derweil als bloßen Junior-Partner Chinas wahr. Ewige Freundschaft sieht anders aus, auch für Außenstehende.
Und was ist mit dem Zugang zu asiatischen Kapitalmärkten? Alles nicht so einfach. Die big four der chinesischen Staatsbanken hält sich nach wie vor an die westlichen Sanktionen gegen Russland, obwohl das offizielle Peking die Sanktionen verurteilt. Der russische Markt steckt voller Risiken, ein verstärktes Engagement in Russland ist für chinesische Banken nicht den Ärger mit den Europäern und Amerikanern wert. Westliche Märkte sind ohnehin lukrativer.
Gabuews Fazit:
„Erfolg in einer Region, die 15 Jahre lang für die russischen Eliten keine Priorität hatte – das wäre ein Wunder, besonders angesichts von Sanktionen, fallender Rohstoffpreise und Abwesenheit von Infrastruktur. Es mangelt nicht nur an Pipelines, Straßen, Brücken oder Häfen, sondern auch an Asien-Expertise und guten Beziehungen zu asiatischen Eliten.“
Mit anderen Worten: Russland sucht den China-Schröder. Vergeblich.
Mehr deprimierendes Zeug gefällig? Gerne doch. Wie die russische Statistikbehörde mitteilt, hat es in Russland zwischen Januar und November 2015 mehr Selbstmorde als Verkehrstote gegeben. 21300 Russen brachten sich um, 20100 starben bei Verkehrsunfällen. Klammert man Krankheiten aus, ist Selbstmord aktuell die Todesursache Nummer eins in Russland. Vielleicht tauschen die beiden Top-Todesursachen neuen Jahr ja die Plätze? Wäre immer noch keine gute Nachricht aus Russland.
Vielleicht könnte ja das stolze Nachbarland welche liefern? Die Ukraine bemüht sich, sowjetische Symbole und Ortsnamen aus der Öffentlichkeit zu tilgen – eine durchaus kontroverse geschichtspolitische Reform. Nach dem Gesetz vom April 2015 sollen 28 ukrainische Städte und 800 Dörfer umbenannt werden. Weg mit Lenin, weg mit dem „Roten Oktober“, weg mit den Namen längst vergessener Sowjethelden, die in der heutigen Ukraine als Bösewichte gelten – so wie Grigori Petrowski, der Namensgeber der viergrößten Stadt der Ukraine Dnipropetrowsk und einer der Mitverantwortlichen der mörderischen Kollektivierung der Landwirtschaft in der 1930er Jahren.
Petrowski ist also nicht mehr en vogue. Petrowski? Da lässt sich doch was machen, dachten sich Stadtrat-Abgeordnete vom „Oppositionellen Block“ – wohlgemerkt die Nachfolgepartei von Wiktor Janukowitschs „Partei der Regionen“. Dnipropetrowsk wollen sie in Dnipropetrowsk umbenennen – der Namensgeber wäre dann nicht länger sowjetische Petrowski sondern der heilige Petrus. Good luck with that.
Der Dekommunisierungs-Trick der Kiewer Schaumweinfabrik dürfte hingegen funktionieren. Der „Sowjetische Champagner“ aus Kiew – eine Traditionsmarke – heißt ab sofort… Ja wie denn? Wie soll dieser Anschlag auf die Transliterationsregeln in lateinischer Schreibweise aussehen? „Sowetowscher Champagner“ vielleicht. Ob die neue Marke etwas mit dem Township Soweto bei Johannesburg zu tun hat, ist nicht überliefert.
Danke für die Aufmerksamkeit!
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Bis nächste Woche!
Pavel Lokshin
RLW erscheint in Kooperation mit n-ost – Netzwerk für Osteuropaberichterstattung.