RLW #14: Kein Geld für Gedenken / Selbstlose Korruption / Sommerspaß mit AK47

Heute ist der 23. August 2015 und das ist Russland letzte Woche, ein eklektischer Rückblick auf die Vorgänge im östlichen Riesenreich:

  • Gedenken ohne Staat – Russland will für Stalinismus-Aufarbeitung kein Geld ausgeben
  • Selbstlose Korruption zu Ehren des Vaterlands
  • Tagebuch aus dem patriotischen Wehrsportcamp für Teenager


Heute gedenkt Europa der Opfer von Stalinismus und Nationalsozialismus. An diesem Tag vor 75. Jahren unterschrieben die Sowjetunion und Nazi-Deutschland den Hitler-Stalin-Pakt, eine Ouvertüre für den Zweiten Weltkrieg. Während der Österreicher seine besten Jahre als mörderischer Diktator noch vor sich hatte, blickte der Georgier mehrere rasch durchgepeitschte Repressionswellen zurück. Sie kosteten Millionen seiner Untertanen das Leben – eine Episode der sowjetischen Geschichte, die im heutigen Russland bestenfalls unter den Teppich gekehrt wird. Manche zelebrieren sie sogar und lassen Stalin-Denkmäler aufstellen.

Doch Moment mal, hat die russische Regierung diese Woche nicht eine “Konzeption des Gedenkens der Opfer politischer Repressionen” beschlossen? Hat sie, die Jahrestage von 1917 und 1937 rücken schließlich näher. Ergo geht nicht nur um die Stalin-Repressionen, sondern auch um die Revolution und den Bürgerkrieg. Tolle Sache, oder? Leider bedeutet diese “Konzeption” nicht viel, ein reines Rahmendokument, das zwar neue Museen oder Schulbücher vorsieht, aber über Finanzierung überhaupt nichts besagt.

Sergej Parchomenko – bekannt unter anderem für sein Stolpersteine-Projekt für die Opfer der Stalin-Repressionen – kann seine Enttäuschung kaum verbergen. An dem Projekt eines “Föderalen Programms des Gedenkens” hat die russische Regierung zusammen mit dem Menschenrechtsrat beim russischen Präsidenten seit Jahren gearbeitet, und nun haut das Kulturministerium statt eines umfassenden Plans eine dünne Absichtserklärung raus.

In dieser “Konzeption” ist keine Kopeke für irgendetwas vorgesehen. Es gibt kein einziges konkretes Datum, kein einziges klar umrissenes Projekt und keinen Projektverantwortlichen. Es gibt bloß die ‘Hauptrichtungen der Arbeit’, ‘Benchmarks der erwarteten Effizienz’. Solchen Stuss sondern Bürokraten ab, wenn ein Projekt für immer und ewig vergessen gehört.”

Schon im Juni 2014 hat das Kulturministerium dem Menschenrechtsrat mitgeteilt, es gebe “keine Gründe zur Annahme, dass Subjekte der Russischen Föderation sich an der Finanzierung des Projekts beteiligen könnten.” Also: Kein Geld vom Staat, weder aus Moskau noch aus den Regionen. Für nichts. Auch nicht für ursprünglich geplante Sonderrenten für Überlebende des Stalin-Terrors, oder die kleine Gedenkanlage in Moskau, deren Bau im Herbst beginnen soll. Im Moment sammeln NGOs Geld dafür.

Und dann blätterst du wieder im schönen Regierungsdokument und liest die folgende Passage:

”Russland kann nicht zum vollwertigen Rechtsstaat werden und führende Rolle in der Weltgemeinschaft einnehmen, wenn es nicht jener Millionen seiner Staatsbürger gedenkt, die politischen Repressionen zum Opfer fielen.”

Lieber am Rechtsstaat sparen als an Rüstung und Propaganda.


Korruption ist böse, außer sie ist gut. Ungefähr so lässt sich die neue Vorgehen der russischen Regierung gegen die Auslandskorruption zusammenfassen. Zwar trat die OSZE-Antikorruptions-Konvention in Russland schon vor drei Jahren in Kraft, um ihre Umsetzung hat sich bislang niemand gekümmert. Nun will die Regierung für Schmiergelder russischer Firmen an ausländische Beamte hohe Bußen durchsetzen – bis hin zum 100-fachen Betrag des Schmiergelds.

Wer aber ganz selbstlos, quasi aus Altruismus schmiert, braucht keine Angst zu haben. Auslandskorruption wird nämlich nicht verfolgt, wenn sie zum “Vorteil Russlands” geschieht. Noch einmal. Korruption ist keine, wenn sie Russland nützt. Alle Staatskonzerne wären in eventuellen Korruptionsaffären fein aus dem Schneider. Und ja, wie die neuen Gesetzesänderungen umgesetzt werden sollen, weiß in Russland wie üblich niemand. Das hat Tradition: Neues Gesetz, neue Rechtsunsicherheit.


Mal zu leichteren, wenn auch weiterhin patriotischen Themen! Der 12-jährige Maxim hat seine Erfahrungen im patriotischen Wehrsport-Camp bei Jekaterinburg aufgeschrieben. Dort wird offenbar ganz einfach Armee gespielt, mit jungen Teenagern statt mit volljährigen Rekruten. Die bekommen natürlich nur Airsoft-Kalaschnikows, aber sonst ist alles echt: die nächtlichen Überraschungsdrills, das miese Essen, die Sippenhaftung – 50 Liegestützen für alle, wenn sich einer danebenbenimmt.

Maxim war begeistert:

“Zum Schluss fühlte ich mich stärker, ich habe viele militärische Tricks gelernt. Es wäre schön, könnte dieses Wehrsport-Camp für immer weitergehen.”

Hoffentlich muss der Junge nie an die Front, eh, in den “hybriden Krieg”.


Danke für die Aufmerksamkeit!

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Bis nächste Woche!
Pavel Lokshin